Am Sonntag, 18. August 1996 bestritt der SC Bronschhofen sein erstes Spiel in der 2. Liga. Die Zeitungsberichte zum unerwarteten Aufstieg und zur Partie auswärts beim FC Flawil.
Zeitung vom 20.08.1996 - Bericht: Elmar Ziegler
2.-Liga-Routine setzte sich durch
Der FC Flawil besiegt Aufsteiger Bronschhofen mit 3:1
Nach einer guten Startphase des FC Flawil dominierte überraschend der SC Bronschhofen die erste Halbzeit und ging nach einer halben Stunde verdient 1:0 in Führung. Wie verwandelt kam der FC Flawil nach der Pause auf den Platz und in der letzten halben Stunde bestimmte die Heimmannschaft das Geschehen. Der Rückstand konnte in einen 3:1-Sieg umgemünzt werden.
Nach einem Warnschuss Carosettas in der dritten Minute, übernahm der Heimklub das Zepter. Gnab und zweimal Zuber vergaben die Führung. Eine missglückte Faustabwehr von Torhüter Golem konnte Bronschhofens Verteidigung auf der Linie wegschlagen.
Bronschhofen dominiert
Überraschend übernahm der Liganeuling nach einer Viertelstunde das Spieldiktat. Nachdem Oliva an Torhüter Imper scheiterte, gelang Captain Stauffacher im Anschluss an den dritten Eckball mit einem unhaltbaren Kopfball das 0:1. Der verunsicherte Gastgeber mochte darauf nicht zu reagieren.
Schlussoffensive Flawils
Nach Ablauf der ersten Stunde fanden die Einheimischen doch zu ihrem Spiel und glichen durch Kolaj, auf Flanke von Bruggmann, mit einem herrlichen Kopfball zum 1:1 aus. Mit einem Sololauf über das halbe Spielfeld brachte Germann den FC Flawil 2:1 in Führung. Aufgrund dieses Spielstandes musste der SC Bronschhofen die Abwehr entblössen. In der Schlussminute entwischte Helg der aufgerückten Verteidigung und liess Torhüter Golem keine Chance (3:1). Der FC Flawil hatte sich das Saisonstartspiel gegen den Liganeuling wahrlich um einiges einfacher vorgestellt.
Zu wenig clever
Nach Spielschluss meinte der Trainer des SC Bronschhofen: «Wir haben taktisch eine sehr gute erste Halbzeit gespielt. Auf Standardsituationen agierten wir nicht clever und durch die nachlassenden Kräfte haben wir unseren Vorsprung eingebüsst. Zum Schluss mussten wir in die Offensive gehen und in der Folge das 3:1 einstecken. Das Resultat ist um ein Tor zu hoch ausgefallen. Wir werden nun von Spiel zu Spiel weitersehen.»
Flawil - Bronschhofen 3:1 (0:1) Schützenwiese – 250 Zuschauer. Schiedsrichter: Markus Schlauri, Frauenfeld. Tore: 31. Stauffacher 0:1, 63. Kolaj 1:1, 70. Germann 2:1, 89. Helg 3:1. Flawil: Imper, Alder, Kolaj, Gnaba, Uzunovic (46. Marku), Baumann, Germann (85. Galli), Keller (46. Bruggmann), Knechtle, Zuber. Bronschhofen: Golem, Di Gaetano (77. Horat), Carosetta, Herceg, Steinmann, Langenegger, Stauffacher, Stäbler (Viola), Olvia, Wasmer (56. Christen), Eisenring. Bemerkungen: Flawil ohne Bruderer (verletzt), 84. Helg (Lattenschuss), faires Spiel ohne Verwarnungen.
Kleine Kuriosität am Rande
1996 spielten die Bronschhofer bei der Premiere des Flawiler «Gartenrestaurants» auf der Schützenwiese.
Gleicher Ort 18 Jahre später: wieder ist das Bronschhofer «Eis» bei einer Flawiler Premiere mit dabei. Diesmal beim Eröffnungsspiel des neugebauten Kunstrasenspielfeldes.
Zeitung vom 27.08.1996 – Bericht: Urs Huwyler
SC Bronschhofen: Modus macht Fast-Absteiger zum Aufsteiger in die 2. Liga
Ein Reiz des regionalen Fussballgeschehens besteht darin, dass es fast nichts gibt, was es nicht gibt. Der SC Bronschhofen wird als leuchtendes Beispiel in die Annalen des Ostschweizerischen Fussballverbandes (OFV) eingehen. Dem Sportklub aus der Region Wil ist es als Gruppenviertem (!) gelungen, in die Zweite Liga aufzusteigen.
Sonntag, 18. August 1996, 14.58 Uhr, Sportplatz Schützenwiese Flawil. Zur Trumph-Hymne «Also sprach Zarathustra» durften die Spieler des SC Bronschhofen vor dem für sie historischen Match von den Gastgebern ein Aufstiegspräsent entgegennehmen. Danach kann erstmals in der 22jährigen Vereinsgeschichte das Abenteuer bzw. der sportliche Überlebenskampf im Amateur-Oberhaus beginnen. Vor zwölf Monaten startete der Dorfclub ebenfalls mit dem Minimalziel «Liga-Erhalt» zur Meisterschaft. Nur, damals hoffte das im Vorfeld zum Abstiegskandidaten gestempelte Team von Trainer René Bosshard eine Klasse tiefer auf möglichst viele Erfolgserlebnisse.
Inzwischen sind viele Bälle durch die Luft geflogen. Neben dem souveränen Gruppensieger (und Aufsteiger) Bazenheid sammelten im Kampf um den zweiten (Finalrunden-)Rang auch noch die zweiten Mannschaften von Wil und Gossau mehr Punkte als die Bronschhofer. Alles klar? Weil Gossau den «Nationalliga-B-Express» erwischte und Wil obenblieb, mussten der Zweite und Dritte schweren Herzens passen. «Nachwuchsmeisterschaft statt Zweite Liga» hiess bei den B-Klubs (leider) die Devise. Und dann passierte das, was niemand für möglich gehalten hatte: Aussenseiter Bronschhofen rückte nicht nur nach, sondern holte im entscheidenden Match einen 0:2-Rückstand auf und gewann das abschliessende Penaltyschiessen. Zwei Gruppensieger (Tägerwilen und Landquart) blieben gegen die «Namenlosen» auf der Strecke, der dritte (Sargans) erwischte wie Bronschhofen den Fahrstuhl nach oben.
Jungfrau und Kind
Spiko-Präsident Fridolin Schär fällt bei soviel sportlichem Glück und Können nur der oft zitierte biblische Spruch «Von der Jungfrau, die zum Kind gekommen ist» ein. Und Trainer René Bosshard staunte selbst wenige Augenblicke vor dem Anpfiff in Flawil noch immer, was seiner Mannschaft 1995/96 trotz keineswegs idealer Bedingungen im Bereich der Infrastruktur oder der Kaderzusammensetzung gelungen war. Eine Stunde lang durften die Neulingen nach dem Führungstreffer von Urs Stauffacher (32.) sogar den Traum vom nie enden wollenden Fussballwunder träumen, doch schliesslich setzte es bei der Premiere die (un?)erwartete Niederlage (3:1) ab. Dabei wären die Gäste mit einem Unentschieden zufrieden gewesen.
An der Zielsetzung hätte jedoch selbst ein Vollerfolg nichts geändert. «Liga-Erhalt» und nochmals «Liga-Erhalt» heisst die Devise beim jungen Klub mit dem schmalen Platz, der erst noch sechs Leistungsträger abgeben musste. Allen voran der 24 Jahre alte Thomas Angst (Ex-Schaffhausen und Brüttisellen), der sich in den USA als Profi versuchen möchte. «Weil bei uns nicht fertige Spieler Schlange stehen und sich um einen Pass beim SCB bemühen, müssen die Neuen zuerst mit unserem System vertraut gemacht werden. Dies wird eine gewisse Zeit dauern. Trotzdem bin ich zuversichtlich», schwankt Bosshard zwischen optimistischem Realismus und realistischem Optimismus. Wobei andere (finanzkräftigere) Klubs transferierte Junioren aus der Region – darunter befindet sich U-17-Nationaltorhüter Golem (Wil) – nicht einmal als Zuzüge aufführen würden.
Idealist aus Überzeugung
Fragt sich eigentlich nur, weshalb ein routinierter oder talentierter Balltreter zum einst polysportiv ausgerichteten Sportclub wechseln soll. Es gibt kein Geld zu holen, das Umfeld muss sich zuerst auf die neue (Zweitliga-)Situation umstellen, die Platzverhältnisse animieren niemanden zum Wechseln, und die sportlichen Ambitionen schwanken zwischen Drittletztem und Fünftletztem. «Aber wir bilden», so Bosshard, «eine Einheit. Nur so lassen sich Erfolge erzielen. Bei mir gibt es deshalb keine Ersatz-, sondern nur Einwechselspieler.» Der Mann an der Linie, dessen Aufgabenbereich sich vereinsintern nicht nur auf das Training beschränkt, sondern – es lebe der Idealismus – noch administrative und andere Tätigkeiten umfasst, sieht sich denn auch nicht nur als Trainer bzw. bei Personalknappheit als Spielertrainer, sondern als Bronschhofer Allrounder.
Dafür dürfte er – Insider sprechen von rund der Hälfte – wesentlich weniger verdienen als seine teils prominenten Kollegen, denen neben einem hochkarätigen Kader vielfach noch ein Assistent, Coach und/oder Physiotherapeut zur Verfügung stehen. «Ich brauche keinen Coach. Meiner Meinung nach sollte es selbst in der Zweiten Liga zu schaffen sein, dass der Trainer die Mannschaft weitgehend alleine führt. Schliesslich trägt er auch die Verantwortung. Schon deshalb bin ich gespannt, ob wir als krasser Aussenseiter gegen ambitionierte Teams wie Brühl oder Kreuzlingen zu bestehen vermögen. Schön wär’s auf jeden Fall. Und zusätzlich eine gewisse Genugtuung, dass sich mit wenigen finanziellen Mitteln regional einiges bewegen lässt.»
Gattin als Chefin?
René Bosshard, der in seinem dritten Jahr beim SC Bronschhofen tätig ist, kennt die Szene im übrigen aus seiner Aktivzeit beim benachbarten FC Münchwilen. Dort sammelte er unter anderem Zweitliga-Erfahrung und stand einst auf der Wunschliste des früheren Wiler und jetzigen GC-Trainers Christian Gross. Sollte er irgendwann (was wahrscheinlich erscheint) zu seinem Stammverein zurückkehren, käme es möglicherweise zu familieninternen Diskussionen, denn die Gattin amtet bei Münchwilen als Vize-Präsidentin. Momentan ergeben sich im Hause Bosshard keine fussballerischen Interessenskonflikte, nachdem die benachbarten Thurgauer weiterhin der Dritten Liga angehören. Vor einem Jahr hätten wohl 99 von 100 gewettet, dass wenn ein Klub aufsteige, es Münchwilen sei.
Vielleicht wurde die Truppe des männlichen Bosshard auch einfach unterschätzt, das Potential des Kaders falsch eingestuft. «Spielerisch können wir wohl mithalten. Was derzeit noch fehlt, ist die Kraft für 90 Minuten. Aber daran arbeiten wir während der nächsten vier Wochen intensiv. Wer nicht mitziehen will, ist bei uns an der falschen Adresse», gibt René Bosshard den Tarif bekannt.
Danach heisst es beim Neuling «Schau mer mal», wobei ein Abstieg beim Dorfverein, dem vor allem die A-Junioren fehlen, keine fussballerische Weltuntergangsstimmung auslösen würde. Noch ist es aber längst nicht soweit.
Sympathisch, dass die Relegation nicht mit allen Mitteln vermieden werden soll. Vor dem ersten Zweitliga-Auftritt meinte Bosshard zu seinen Akteuren: «Wir spielen fair, grätschen nicht von hinten in die Beine der Gegenspieler, haben uns unter Kontrolle.» Wer glaubt, die elf Musketiere seien deswegen nicht «geladen» oder gar «schläfrig» aufgelaufen, vermutet falsch. Bereits in der 3. Minute hätten die Gäste in Führung gehen können. Man(n und Frau Bosshard) sieht, nichts ist unmöglich.
Eine von vielen Geschichten aus 50 Jahren SCB
Comments